Unterbewertete Aktien und die Fallstricke der Dividendenrendite

02.07.2021
Lesezeit ca. 12 min
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Dieser Beitrag stellt keine Anlage- oder Vermögensberatung dar.
Unterbewertete Aktien mit einer hohen Dividendenrendite zu finden ist der ultimative Traum jedes Value-Anlegers, seit es Aktiengesellschaften gibt. Aber wie so häufig im Leben führt auch bei Unternehmenskennzahlen eine allzu einseitige Betrachtung den Anleger zwar auf funkelndes, aber durchaus dünnes Eis. Ein Auto kauft man ja auch nicht nur aufgrund der spritzigen Beschleunigung und den fein duftenden Recaro Ledersitzen. Und so kann es passieren, dass eine Dividendenrendite in luftiger Höhe bei manch einem sogleich die Glückshormone sprudeln lassen und zu einer instantanen Marketorderplatzierung führen. Glückshormone sind natürlich eine feine Sache und damit diese auch lange anhalten, schauen wir lieber einmal mit technischem Verstand unter die Motorhaube des Dividendenpapiers.
Investby Dividendenrendite und unterbewertete Aktien
Photo by Hans Eiskonen on Unsplash

Was ist die Dividendenrendite?

Die Dividendenrendite einer Aktiengesellschaft (AG) ist eine Kennzahl. Mit ihr berechnet man das Verhältnis von ausgeschütteter Dividende zum Aktienkurs, bzw. zum eingesetzten Kapital. Rein rechnerisch bedeutet das:

100 % * Dividende pro Aktie / Aktienkurs = Dividendenrendite in Prozent.

Die Höhe der Dividende wird in der Regel auf der Hauptversammlung einer AG festgelegt. Es handelt sich hierbei um eine bestimmte Zahlung pro emittierter Aktie, also z.B. so etwas wie 3 Euro pro Aktie. Hält der Anleger nun 10 Aktien von dieser Firma, erhält er insgesamt somit 3 Euro mal 10 Aktien = 30 Euro an Dividende. Wie hoch für diesen Anleger die Dividendenrendite ist, hängt davon ab, zu welchem Preis er die Aktie gekauft hat. Nehmen wir an, der Kauf fand bei 60 Euro pro Aktie statt und er hat somit 10 Aktien mal 60 Euro Einkaufskurs = 600 Euro dafür bezahlt. In diesem Fall beträgt die Dividendenrendite für unseren Anleger 100 % * 3 Euro / 60 Euro = 5 %.

Ein anderer Anleger, der die gleiche Anzahl Aktien bereits schon zu einem Kurs von 20 Euro gekauft hat, kann sich über eine Dividendenrendite von 100% * 3 Euro / 20 Euro = 15 % freuen. Da er die gleiche Anzahl Aktien hat, bekommt auch er die gleichen 3 Euro mal 10 Aktien = 30 Euro an Dividende überwiesen. Jedoch bei einem Kapitaleinsatz von 10 Aktien mal 20 Euro Aktienkurs = 200 Euro.

Beide Anleger haben also 30 Euro an Dividende erhalten, jedoch hat der erste Anleger eine geringere Dividendenrendite als der zweite, da er einen deutlichen höheren Kapitaleinsatz hat. Die Dividendenrendite macht somit eine Aussage über die Investitionseffizienz des eingesetzten Kapitals, nicht jedoch über den Absolutbetrag an Geld, den man letztlich auf dem Konto gutgeschrieben bekommt.

In diesem Rechenbeispiel haben wir die individuelle Dividendenrendite eines Anlegers berechnet, der die Aktie bereits gekauft hat. Verwendet man nun den tagesaktuellen Aktienkurs für die Berechnung, erhält man die Dividendenrendite, die man bekäme, wenn man zum aktuellen Aktienkurs einsteigen würde. Da der Aktienkurs tagesaktuellen Schwankungen unterliegt, verändert sich natürlich auch die Dividendenrendite entsprechend.

Warum die Dividendenrendite alleine nicht reicht, um ein Unternehmen zu bewerten.

Dass die Dividendenrendite alleine wenig Aussagekraft hat, sieht man unter anderem an:

  • Bricht der Aktienkurs ein (Marktumfeld, schlechte Unternehmensnachrichten, seltsame Viren im Umlauf), erhöht sich automatisch die Dividendenrendite zum Teil recht stark. Der Grund des Einbruchs ist entscheidend: ist die Firma insolvent, ist eine hohe Dividendenrendite auf dem Papier sicherlich kein Kaufanreiz. Die Dividende ist natürlich vom letzten Jahresabschluss und bildet daher die aktuelle Situation nicht ab.
  • Manche Firmen erhöhen auch gerne mal die Dividende und zahlen diese nicht aus den erwirtschafteten Gewinnen, sondern aus dem Eigenkapital. Hier erhöht sich ebenfalls die Dividendenrendite, aber die Frage, ob es sich um eine brauchbare Investition handelt, kann erst durch das Analysieren der fundamentalen Finanzdaten beantwortet werden.
  • Die vergangene oder aktuelle Dividende macht noch keine Aussage über die Zukunft. Vielleicht wird die Dividende ab nächstem Jahr gestrichen, alles schon vorgekommen.
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Was ist eine unterbewertete Dividendenaktie?

Eine unterbewertete Dividendenaktie zeichnet sich dadurch aus, dass zum einen der Aktienkurs die finanzielle Lage des Unternehmens möglichst unterbewertet. Zum anderen tatsächlich durch eine hohe Dividendenrendite, aber nur dann, wenn die fundamentale Analyse der Finanzlage der AG grünes Licht gibt. Um eine unterbewertete Dividendenaktie zu finden, müssen wir somit einen sorgfältigen Blick in die fundamentalen Daten werfen. Hier kommt die Bilanzanalyse mit aussagekräftigen Kennzahlen ins Spiel.

Wie findet man unterbewertete Dividendenaktien?

Eine Reihe an Kennzahlen können anzeigen, dass eine Dividendenaktie unterbewertet ist. Eine einzelne Kennzahl ist nie ausreichend. Um ein möglichst vollständiges Bild der Finanzlage der AG zu bekommen, ist ein guter Blick in die Vermögens-, sowie die Ertragslage unerlässlich. Dazu benötigen wir den Jahresabschluss inklusive Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) sowie den Cashflowbericht. Diese Daten müssen bei AGs veröffentlicht werden und sind entweder direkt auf der Firmenwebseite unter Investor Relations oder bei bekannten Finanzportalen zu finden. Aus diesen Finanzdaten lassen sich nun Kennzahlen berechnen, die zum Teil auch schon von Finanzportalen zur Verfügung gestellt werden.

Aussagekräftige Kennzahlen für die Dividendenstrategie

Da einzelne Zahlenwerte z.B. aus der Bilanz wenig aussagekräftig sind, bedient man sich Relationen (= Kennzahlen). Man setzt somit mehrere Bilanzposten ins Verhältnis zueinander und bekommt einen besseren Eindruck. Kennzahlen sollte man idealerweise tatsächlich verstehen, anstatt einfach nur eine Liste durchzugehen und zu schauen, ob der jeweilige Wert in einem empfohlenen Bereich liegt. Aus diesem Grund stelle ich hier einige wenige Kennzahlen mit Erläuterung vor.

Bilanzkennzahl: Goldene Bilanzregel

Die Höhe des Anlagevermögens alleine ist nicht sonderlich aussagekräftig. Viel spannender ist die Frage, ob das Anlagevermögen langfristig finanziert wurde. Das Anlagevermögen befindet sich auf der Aktivseite der Bilanz und stellt langfristig gebundenes Vermögen dar. Das können z.B. firmeneigene Immobilien, Produktionsanlagen oder auch der Fuhrpark sein. Langfristig gebundenes Vermögen sollte auch langfristig finanziert sein, da es erst im Laufe der Zeit Gewinne erwirtschaftet, die wiederum die Anschaffungskosten rechtfertigen.

Um herauszufinden, ob das der Fall ist, werfen wir einen Blick auf die Passivseiteder Bilanz. Dort befindet sich das Eigen- und das Fremdkapital. Das Eigenkapital setzt sich zusammen aus Investorengeldern und erwirtschafteten Gewinnen. Das Fremdkapital besteht aus Verbindlichkeiten, ist also im Wesentlichen langfristig, bzw. kurzfristig geliehenes Geld.

Nun setzen wir die Geldherkunft (Passivseite) ins Verhältnis zum Anlagevermögen (Aktivseite), denn wir wollen wir wissen, ob das Anlagevermögen auf sicheren finanziellen Beinen steht.

Goldene Bilanzregel I (Deckungsgrad 1)

Deckungsgrad 1 = Eigenkapital / Anlagevermögen >= 1

Goldene Bilanzregel II (Deckungsgrad 2)

Deckungsgrad 2 = (Eigenkapital + langfristiges Fremdkapital) / Anlagevermögen >= 1

Der Deckungsgrad 1 ist strenger als der Deckungsgrad 2, da er verlangt, dass das Anlagevermögen komplett mit eigenen Mitteln, also dem Eigenkapital finanziert wurde. In der Praxis findet man solche AGs nur recht selten, da die meisten Firmen zum größten Teil fremdfinanziert sind. Findet man einen Dividendenzahler, der sein Anlagevermögen mit Eigenkapital finanziert hat, kann man ziemlich sicher sein, dass das Management sehr langfristig denkt und versucht, möglichst unabhängig zu sein. Denn Fremdkapital z.B. von Banken bedeutet natürlich auch immer eine gewisse Abhängigkeit. Falls Umsätze einbrechen, oder ein paar schlechte Jahre auftreten, drehen Banken solchen Firmen auch gerne mal den Geldhahn zu. Eine AG, die den Deckungsgrad 1 erfüllt, kann in so einem Fall nur müde lächeln und fröhlich das Geschäftsmodell weiter betreiben.

Der Dynamische Verschuldungsgrad

Der dynamische Verschuldungsgrad gibt an, wie lange es theoretisch dauern würde, die aktuellen Schulden durch den erwirtschafteten Cashflow zurückzuzahlen (Schuldentilgungsdauer). Diese Kennzahl ist besonders interessant, da sie auf mögliche Finanzierungsprobleme hindeuten kann.

Dynamischer Verschuldungsgrad = Fremdkapital / Cashflow

Das Fremdkapital befindet sich auf der Passivseite der Bilanz und man addiert für die Berechnung gerne auch noch die Rückstellungen oben drauf. Das sind ungewisse Verbindlichkeiten, die aber höchst wahrscheinlich eintreten werden. Als Variante werden manchmal die liquiden Mittel (z.B. Bankguthaben, Wertpapiere etc.) vom Fremdkapital in der Formel abgezogen. Die liquiden Mittel stehen auf der Aktivseite der Bilanz im Umlaufvermögen. Beim Abzug der liquiden Mittel vom Fremdkapital rechnet man hier mit der sogenannten Effektivverschuldung.

Der dynamische Verschuldungsgrad ist eine Zahl in Jahren. Bekommt man z.B. 10,5 Jahre als Ergebnis, dann würde es somit 10,5 Jahre dauern, bis die aktuellen Schulden mit dem aktuellen Cashflow getilgt werden könnten, sofern der Cashflow gleich bleibt. Die Kreditwürdigkeit bzw. Bonität eines Unternehmens ist umso höher, je kleiner diese Zahl ist.

Ist der Dividendenzahler profitabel?

Da idealerweise die Dividende aus den erwirtschafteten Gewinnen gezahlt wird, wollen wir uns anschauen, ob das Unternehmen überhaupt profitabel ist. Profitabel bedeutet, dass das Unternehmen ein Plus, also Gewinne erwirtschaftet hat. Dafür werfen wir einen Blick in die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) der AG. Hier finden wir Ergebnisse wie den EBIT und den EBITDA. Dahinter verbergen sich zum Einen die Gewinne vor Zinsen und Steuern (EBIT: Earnings before interest and taxes) zum Anderen die Gewinne vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Tilgungen (EBITDA: Earnings before interest, taxes, depreciation and amortisation). Der EBITDA interessiert uns hier besonders, da steuer- und finanzpolitische Größen herausgerechnet wurden.

Die hohe Kunst des Bilanztunings

Dazu muss man wissen, dass beispielsweise Dinge wie Abschreibungen viel Spielraum in der Gestaltung frei lassen. Eine Abschreibung ist ein berechneter Wertverlust von Anlagevermögen (steht auf der Aktivseite der Bilanz) und es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese zu berechnen. Es handelt sich hier somit um Buchverluste, die jedoch keine Geldbewegung zur Folge haben - deswegen erscheinen Abschreibungen auch nicht im Cashflow Bericht. Interessant für die Profitabilität des Unternehmens ist jedoch der wirtschaftliche Erfolg und nicht die hohe Kunst des Bilanztunings. Daher sollte der EBITDA positiv sein, was uns einen Hinweis darauf gibt, dass das Unternehmen profitabel ist. Doch wie groß sollte der EBITDA sein, damit wir ein sehr profitables Unternehmen mit einer rosigen Zukunft gefunden haben? Um diese Fragen zu beantworten, benötigen wir wieder Relationen, bzw. Kennzahlen.

Rentabilität bzw. Rendite eines Unternehmens

Rein technisch gesehen ist ein Unternehmen profitabel, wenn es einen Gewinn von 1 Euro erwirtschaftet hat. Wenn das Unternehmen dafür einen Kapitaleinsatz von 0,01 Euro benötigt hat, ist das ein tolles Ergebnis. Wurden dafür jedoch 1 Mio. Euro eingesetzt, ist wohl noch viel Raum für Verbesserungen vorhanden. Wir sehen somit, dass ein absoluter Wert beim EBITDA oder auch Gewinn keine Aussage darüber machen kann, ob das Unternehmen rentabel ist. Daher setzt man einen Wert aus der GuV, wie z.B. den EBITDA ins Verhältnis zu einer Bilanzgröße wie z.B. dem Eigenkapital oder dem Gesamtkapital. Man erhält die Eigenkapitalrendite oder Eigenkapitalrentabilität, auf englisch Return on Equity (ROE):

Eigenkapitalrendite (ROE) = Gewinn / Eigenkapital

Die Gesamtkapitalrendite oder Gesamtkapitalrentabilität, auf englisch Return on Investment (ROI):

Gesamtkapitalrendite (ROI) = Gewinn / Gesamtkapital

Natürlich kann man den Gewinn auch ins Verhältnis zum Umsatz setzen, um eine Idee von der Effizienz des Geschäftsmodells zu bekommen. Das wird als Umsatzrendite oder Umsatzrentabilität bezeichnet, auf englisch Return on Sales (ROS):

Umsatzrendite (ROS) = Gewinn / Umsatz

Die Rendite gibt immer einen Hinweis darauf, wie effizient das eingesetzte Kapital arbeitet. Idealerweise möchte man möglichst wenig Kapital einsetzen und einen möglichst großen Gewinn damit erwirtschaften. Wenig Aufwand mit hohen Belohnungen ist die Devise. Diese aussagekräftigen Berechnungen kann man übrigens nicht nur mit Dividendenaktien anstellen, sondern natürlich auch analog mit Immobilien. Deswegen programmieren wir gerade unseren Investmentanalyzer, der in Kürze als Beta Version erscheinen wird.

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Fazit

Unterbewertete Dividendenaktien zu finden ist möglich, wenn man einen fachkundigen Blick in die Finanzreports der Aktiengesellschaft wirft und dabei den Taschenrechner einsetzt. Die Dividendenrendite alleine ist bei weitem nicht ausreichend, um eine unterbewertete Aktie zu finden. Wir haben in unserem Artikel Kennzahlen vorgestellt, die nur im Zusammenspiel eine hohe Aussagekraft ergeben - nicht jedoch einzeln und isoliert. Selbstverständlich erheben unsere Ausführungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit, bilden aber aus unserer Sicht einen nützlichen Werkzeugkasten für eine gute Erstanalyse von Dividendenaktien.

Dieser Artikel ist im Rahmen der vierten Ausgabe des Geldmags erschienen. 22 Finanzblogger schreiben hier über ihre Einsichten zum Thema Dividenden.

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24.06.2021
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Die Frage nach einer sicheren Geldanlage kann nicht mit einer Geldanlageempfehlung beantwortet werden. Es ist der Wissensstand, der Charakter sowie die Erfahrung des Investors, der eine Geldanlage sicherer macht oder eben nicht. Zudem sollte das Anlageobjekt und die Strategie zusammenpassen. Neben gutem Fachwissen und den richtigen Kennzahlen hilft natürlich noch eine weitere Komponente, um das eigene Portfolio abzusichern: Diversifikation.
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